4 Fallbeispiele zum Beitrag der Transaktionsanalyse zum systemisch-evolutionären Coaching
Die Transaktionsanalyse (TA), begründet von Eric Berne, ist eine vielseitige Theorie menschlicher Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung, die weit über ihre Ursprünge in der Psychotherapie hinausgeht. Ihr Anwendungsreichtum macht sie zu einem wertvollen Werkzeug im Coaching, insbesondere im systemisch-evolutionären Ansatz der Trigon Entwicklungsberatung. In diesem Beitrag möchte ich zeigen, wie die Konzepte der TA das Coaching bereichern und in konkreten Situationen angewendet werden können. Dabei beziehen wir uns auf einige zentrale Modelle der TA und illustrieren deren Nutzen anhand von vier praxisnahen Coaching-Fällen.
1. Grundkonzept der Transaktionsanalyse und ihr Nutzen im Coaching
Die TA basiert auf der Annahme, dass Menschen in ihrem Denken, Fühlen und Verhalten durch drei Ich-Zuständegeprägt sind:
- Eltern-Ich: Enthält Regeln, Normen und Glaubenssätze, die wir von Bezugspersonen übernommen haben.
- Erwachsenen-Ich: Der rationale, auf die Gegenwart bezogene Zustand, in dem wir Informationen objektiv verarbeiten und Lösungen entwickeln können.
- Kind-Ich: Enthält spontane Emotionen, Bedürfnisse und Reaktionsmuster aus der Kindheit.
Diese Zustände spielen eine zentrale Rolle in zwischenmenschlichen Transaktionen und bieten Coaches wertvolle Anhaltspunkte, um Verhaltensmuster zu erkennen und zu verändern. Ergänzend dazu sind die Lebensskript-Theorie(Berne, 1972) und die psychologischen Spiele (Berne, 1964) nützliche Werkzeuge, um tieferliegende Dynamiken zu verstehen.
Fall 1: Klärung von Machtkämpfen im Team
Situation:
Ein Führungsteam in einem mittelständischen Unternehmen erlebte wiederholt Eskalationen in Meetings. Besonders zwei Mitglieder standen in einem ständigen Machtkampf. Der Geschäftsführer bat um Coaching, um die Konflikte zu entschärfen.
Anwendung der TA:
In der ersten Sitzung analysierten wir mithilfe des Modells der Transaktionen (Berne, 1964) die Kommunikationsmuster. Es wurde deutlich, dass die beiden Konfliktparteien häufig vom kritischen Eltern-Ich aus agierten, indem sie belehrten und Vorwürfe formulierten. Die Reaktion des Gegenübers erfolgte oft aus dem rebellischen Kind-Ich, was die Konflikte weiter eskalierte.
Durch gezielte Reflexionsfragen und Rollenspiele wurde den Beteiligten bewusst, wie ihre Ich-Zustände die Dynamik prägten. Gemeinsam erarbeiteten wir neue Kommunikationsstrategien, die das Erwachsenen-Ich aktivieren sollten. Dazu gehörten Techniken wie aktives Zuhören und die Nutzung von Ich-Botschaften.
Ergebnis:
Nach mehreren Sitzungen berichtete der Geschäftsführer, dass die Meetings deutlich produktiver und weniger emotional aufgeladen verliefen. Die Teilnehmer konnten ihre Anliegen sachlicher vorbringen, und die Konflikte reduzierten sich spürbar.
2. Lebensskripte: Wie Glaubenssätze die Karriere prägen
Ein weiteres zentrales Konzept der TA ist die Theorie der Lebensskripte. Berne beschreibt, wie Menschen aufgrund früher Entscheidungen und Prägungen unbewusste Lebenspläne entwickeln, die sie ihr Leben lang beeinflussen. Diese Skripte können im Coaching aufgedeckt und hinterfragt werden, um neue Handlungsmöglichkeiten zu eröffnen.
Fall 2: Überwindung eines limitierenden Glaubenssatzes
Situation:
Frau H., eine erfolgreiche Marketingmanagerin, fühlte sich trotz ihrer Leistungen permanent unsicher und zweifelte an ihrem Wert. Sie meldete sich zum Coaching, da sie Schwierigkeiten hatte, Gehaltsverhandlungen selbstbewusst zu führen.
Anwendung der TA:
Im Coaching erkundeten wir mit Hilfe der Lebensskript-Analyse (Berne, 1972), welche inneren Glaubenssätze ihr Verhalten beeinflussten. Frau H. erkannte, dass sie tief verankerte Überzeugungen wie „Ich muss alles perfekt machen, um geliebt zu werden“ und „Ich darf keine Fehler machen“ übernommen hatte. Diese Botschaften entsprachen klassischen antreibenden Sätzen, wie sie von Claude Steiner beschrieben wurden.
Wir arbeiteten daran, diese Skriptbotschaften bewusst zu machen und durch neue, förderliche Überzeugungen zu ersetzen. Unterstützend nutzten wir Visualisierungsübungen und Affirmationen, um das neue Selbstbild zu stärken.
Ergebnis:
Frau H. berichtete nach einigen Wochen, dass sie in Verhandlungen selbstbewusster auftreten konnte. Sie hatte das Gefühl, ihre Leistungen klarer zu sehen und sich für ihren Wert einzusetzen.
3. Psychologische Spiele und ihre Auflösung
Psychologische Spiele, ein Konzept von Berne (1964), beschreiben wiederkehrende, destruktive Kommunikationsmuster, die unbewusst ablaufen. Diese Spiele folgen einer festen Dramaturgie und enden oft mit negativen Gefühlen. Im Coaching können solche Muster identifiziert und durchbrochen werden.
Fall 3: Der „Ja, aber“-Dialog
Situation:
Herr M., ein junger Abteilungsleiter, wandte sich an mich, weil er Schwierigkeiten hatte, konstruktive Lösungen mit seinem Team zu finden. In unseren Gesprächen fiel auf, dass er oft in „Ja, aber“-Dialoge verwickelt war: Auf jede Idee seines Teams folgte ein Einwand.
Anwendung der TA:
Mithilfe des Dramadreiecks (Karpman, 1968) analysierten wir die Dynamik. Herr M. erkannte, dass er unbewusst in die Rolle des „Verfolgers“ schlüpfte, indem er Vorschläge kritisierte. Dies löste bei den Mitarbeitenden eine „Opfer“-Reaktion aus, die wiederum seinen inneren „Retter“ aktivierte. Gemeinsam entwickelten wir Strategien, wie Herr M. das Dreieck verlassen konnte, z. B. durch wertschätzende Fragen und das Erarbeiten gemeinsamer Lösungen.
Ergebnis:
Herr M. berichtete, dass die Kommunikation mit seinem Team sich erheblich verbessert hatte. Seine Mitarbeitenden fühlten sich stärker eingebunden, und er konnte Konflikte konstruktiver lösen.
4. Integration von TA und systemisch-evolutionärem Ansatz
Die Stärke der TA liegt auch in ihrer Kompatibilität mit anderen Ansätzen, insbesondere dem systemischen Coaching. Durch die Kombination beider Perspektiven entstehen innovative Lösungen, die den Coachee als Teil eines größeren Systems betrachten.
Fall 4: Die Familienbotschaft in der Führung
Situation:
Frau S., eine Unternehmerin, fühlte sich häufig überfordert, da sie alle Entscheidungen selbst treffen musste. Ihr Wunsch war es, Führungsaufgaben stärker zu delegieren, doch sie fand keinen Weg, ihre Kontrollmechanismen loszulassen.
Anwendung der TA:
Im Coaching analysierten wir mit Hilfe des Eltern-Kind-Modells, welche Botschaften aus ihrer Familie ihr Verhalten prägten. Frau S. erkannte, dass sie unbewusst die Botschaft „Nur wenn ich alles kontrolliere, bin ich sicher“ übernommen hatte. Gleichzeitig betrachteten wir ihre Rolle im Unternehmenssystem und wie diese Verhaltensmuster auf ihre Mitarbeitenden wirkten. Mit systemischen Aufstellungen und Rollenspielen fand Frau S. neue Möglichkeiten, Verantwortung abzugeben.
Ergebnis:
Frau S. begann, Entscheidungsprozesse schrittweise zu delegieren. Ihr Unternehmen profitierte von den neuen Strukturen, und sie selbst gewann mehr Freiraum für strategische Aufgaben.
Fazit: Die TA als Schatzkiste für das Coaching
Die Transaktionsanalyse bietet eine reichhaltige Palette an Modellen, die Coaches helfen, Dynamiken zu erkennen und Veränderungsprozesse anzustoßen. Im Zusammenspiel mit dem systemisch-evolutionären Ansatz der Trigon Entwicklungsberatung entstehen kraftvolle Interventionen, die Coachees auf persönlicher und systemischer Ebene weiterbringen. Die beschriebenen Fälle zeigen, wie individuell und wirkungsvoll die Anwendung der TA im Coaching sein kann – eine wertvolle Brücke zwischen Selbstreflexion und Veränderung.