Die Lemniskate
Diese Methode geht von einer Problemdefinition oder Fragestellung aus. Eine genaue Faktenanalyse und Diagnose bildet die Basis für eine Zielklärung sowie einen Prozess der Entscheidungsfindung und Urteilsbildung.
Indikation
Die Methode eignet sich besonders für eine Problemklärung, -analyse und Diagnose mit einer darauf aufbauenden Entscheidungsfindung. Sie ermöglicht eine klare, transparente und strukturierte Vorgehensweise und schult folglich das Denken. Der Weg zu einer Entscheidung oder zu einem Urteil ist mit dieser Vorgehensweise gut nachvollziehbar. Die Methode eignet sich auch für Konfliktsituationen (innere oder äußere Konflikte).
Prozessziel
Ziel ist es, mit den Coachees ein systematisches Vorgehen in einer Problemsituation zu üben, welche die Wahrnehmungsfähigkeit und das analytische sowie kreative Denken schult.
Ablauf und Beschreibung der Schritte
Schritt 1: Problemklärung
Problem (griech. próblema) bedeutet „das Vorgelegte“, d.h. eine Frage oder eine Aufgabe, die einer Antwort oder Lösung bedarf. Ein Problem ist z.B. nicht: „Wir haben zu viel Personal.“ Da wäre bereits eine Lösung mitgedacht (weniger Personal), ein Problem wäre: „Unsere Kundinnen und Kunden sind unzufrieden.“ Wichtig ist, genau darauf zu achten, dass es sich wirklich um eine Frage- oder Problemstellung handelt, die nicht schon in eine Lösungsrichtung tendiert.
Schritt 2: Tatsachen/Fakten klären
In diesem Schritt werden alle mit dem Problem verbundenen Fakten und Tatsachen gesammelt. Eine Tatsache an sich ist kein Problem, kann aber zum Problem werden. Entscheidend ist es, Tatsachen von Interpretationen zu trennen. Um bei unserem Beispiel zu bleiben: Gibt es schriftliche Beschwerden von Kundinnen oder Kunden oder glaubt dies ein Mitarbeitender gehört zu haben? Es ist eine gute Übung strikt Fakten von Hypothesen, Vermutungen oder Interpretationen zu trennen. Besonders in Konfliktsituationen ist dieser Schritt ein entscheidender.
Schritt 3: Hintergründe
In diesem Analyse-Schritt werden ergänzende Informationen, Hypothesen, Wahrnehmungen, Charakteristika, Ursachen für die derzeitige Situation zusammengetragen, um zu einem Bild der gesamten Situation zu gelangen. Vielleicht ist das anfängliche Problem ein Symptom für ein tiefer liegendes, eigentliches Problem?
Schritt 4: Diagnose
Ein Durchschauen und Verstehen der relevanten Tatsachen, der Zusammenhänge und Hintergründe ist eine Diagnose. Eine gelungene Diagnose ermöglicht das Verstehen des Problems und setzt Energie für eine Lösung frei. Auf unser Beispiel angewendet: Vielleicht gibt es Konflikte zwischen Mitarbeitenden oder Teams und es kommt dadurch zu Liefer- oder Produktionsproblemen und in Folge zu Kundenbeschwerden.
Schritt 5: Urteilsbildung
Dieser Zwischenschritt liegt vor dem Prozess der Entscheidungsfindung, denn es gilt zu klären, ob es aufgrund der Diagnose um mehrere Entscheidungen geht. Folgende Fragen ermöglichen die Urteilsbildung: Hat die Diagnose überrascht, enttäuscht, erleichtert? Welche Gefühle löst das Bild aus?
Schritt 6: Ziele/Prinzipien
Welche Prinzipien, Ziele oder welches Leitbild sollen der Entscheidung zugrunde liegen? Wie soll die zukünftige Situation aussehen? Von welchen Werten will sich die Coachee leiten lassen? Welche Ziele sollen erreicht werden?
Schritt 7: Alternativen/Varianten
Dieser Schritt sollte wie ein Brainstorming vonstattengehen. Alle möglichen Lösungsvarianten oder Zukunftsbilder werden gesammelt und notiert, ohne sie zu bewerten oder zu diskutieren. Danach können Varianten gestrichen werden, welche gewünschten Prinzipien oder Fakten widersprechen. Diese Phase ist die kreativste im gesamten Prozess und wir sollten anregen, der Fantasie möglichst freien Lauf zu lassen. Es können auch Bilder gezeichnet werden.
Schritt 8: Konsequenzen
Es wird eine Priorisierung der gesammelten Alternativen vorgenommen und danach ausgewählt, welche weiterverfolgt werden sollen. Zu diesen alternativen Lösungen werden mögliche Konsequenzen gesammelt. Z.B. mit einem Raster +/- : Was spricht für/gegen diese Lösung?
Schritt 9: Entscheidung
Auf Basis der vorherigen Schritte wird nun eine Entscheidung getroffen und der Gedankenweg mit einem Be-schluss (Konklusion) abgeschlossen. Wer entscheidet, nimmt die Verantwortung auf sich, nicht nur für die inhaltliche Richtigkeit, sondern auch für die Realisierung der Entscheidung, die ev. auch Delegation beinhaltet. Deshalb wird im Anschluss an die Entscheidungsfindung vereinbart, wer welche Aufgaben übernimmt und wann was bis wann erledigt sein soll (Umsetzungsplan).
Abb. 3.2.2.1: Prozess der Problemlösung
Der Prozess wird als Lemniskate (liegende Acht) dargestellt, denn es geht um eine rhythmische Bewegung von Innen und Außen und eine Balance zwischen verschiedenen Polaritäten. Sie verdeutlicht außerdem, dass eine getroffene Entscheidung zu neuen Fragestellungen oder Problemen führt. Wobei es zuvor erneut durch die Phase der Urteilsbildung geht mit der Frage: „Was bedeutet diese Entscheidung, wie fühlt sie sich an? Ermöglicht diese Entscheidung mehr Freiheit, mehr Möglichkeiten oder engt sie ein?“