Strategische Planung eines Coaching-Prozesses
Eine Frage, die sich viele Coachs am Anfang eines Coaching Prozesses stellen ist, wie lange kann und soll das Coaching dauern? Oftmals wird im Alltag so einfach „8 oder 10 Stunden“ formuliert, was eher aus der typischen Erfahrung so mancher beruht, aber keineswegs für jeden einzelnen Coaching Prozess mit einem Coaching-Kunden passend ist.
Eine exakte Anzahl an Stunden, wie lange das Coaching wirklich dauert, ist am Anfang nur einschätzbar. Ein Annäherungswert kann durch verschiedene Faktoren ermittelt werden.
Folgende Faktoren spielen eine wesentliche Rolle:
- Welche und wie viele Ziele hat der Coaching Kunde? Welche Ziele hat er? (methodisch-technische, verhaltensbezogene, einstellungsbezogene)
- Wie viel Reservezeit ist zu berücksichtigen?
- Wie wird die Zeit für Evaluation und Rückblick einbezogen?
- Welchen Zeithorizont nennt der Kunde bis zur Zielerreichung?
Zum erfolgreichen Coaching gehören eine Beziehungsgestaltung und eine Einbeziehung des Umfeldes unbedingt dazu, d.h. es ist am Anfang Zeit für den Beziehungsaufbau (Vorgespräch!) und für die Entwicklung einer guten Arbeitsbeziehung zu berücksichtigen. Weiters ist sowohl das menschliche als auch das sachliche Umfeld des Coachees bei den Themen bzw. Zielen einzubeziehen, was auch Zeit in Anspruch nimmt. Wir können weder am beruflichen noch am privaten Umfeld vorbei gehen. Das Umfeld ist allerdings nicht Zentrum der Arbeit.
Für den Ablauf eines Coaching Prozesses sinnvoll sind die Überlegungen zur Dauer des Coachings insgesamt und der Abschluss (was ist der Zeithorizont des Kunden?), die Abstände zwischen den Sessions[1] und die Dauer des einzelnen Coaching Gesprächs (was ist für mich eine gute Form, den Bogen des Stundenthemas gut bis zum Vorhaben des Kunden abzuschließen?).
Zur Ablaufstruktur noch einige Anmerkungen:
Sollte der Kunde ein verhaltens- oder einstellungsbezogenes Ziel ansprechen und einbringen, dann ist der Coach gut beraten, etwa „3 Stunden“[2] einzuplanen.
Zeitlich gesehen ist es vorteilhaft, etwa 30 Prozent der geschätzten Gesamtzeit als Reservezeit einzuplanen. Immer wieder kommen Kunden mit Nichtvorhersehbarem, das zu besprechen ist. Oder Vorhaben wurden nicht erfolgreich umgesetzt und sind nachzubearbeiten. Oder der Kunde bringt plötzlich andere wichtige Themen (wobei dann eine Vereinbarungsänderung und neue Ziele angebracht scheinen).
Für die Evaluation und Rückschau sind etwa 5 % der Gesamtzeit, also bei 10 Coaching- Stunden max. eine halbe Stunde in der letzten Einheit dafür nutzbar.
Aus methodischer Perspektive sind folgende Gesichtspunkte in der planerischen Betrachtung des Coaching Prozesses wichtig:
- Vom Einfachen zum Komplexen (lieber einfach Ziele, Inhalte, Lösungen angehen als zu früh komplexe Themen, die langwierig und schwer umzusetzen sind)
- Vom Leichten zum Schweren (was der Kunde leicht umsetzen kann hat Vorrang)
- Vom Kurzfristigen zum Langfristigen (alle kurzfristigen Themen sollten früher behandelt werden, um Erfolge erzielen zu können)
- Kognitives vor Emotionalem (durch den langsamen Vertrauensaufbau reagiert ein Kunde am Anfang nicht wirklich auf Fragen zur emotionalen Seite oder auf emotionale Aspekte; dazu braucht er Zeit)
- Schnell Erfassbares vor Reifeprozess-Themen (Inhalte, die der Kunde leicht erfassen, verstehen und in relativ leichter und einfacher Form umsetzen kann sind den Inhalten vorzuziehen, die eines inneren Reifeprozesses, Einstellungsänderungen oder Änderung innerer Muster bedürfen)
- Alleine umsetzen vor Umsetzung von Inhalten mit anderen gemeinsam (was der Kunde nur für sich machen kann, geht meist leichter und rascher als jene Themen, die Zustimmung oder Mittun anderer bedürfen)
Zu einer erfolgreichen und angenehmen Prozessgestaltung im Coaching kann auch die frühzeitige Überlegung des Einsatzes von Arbeitsmethoden, Instrumenten oder Übungen gehören. Hierbei kann es hilfreich sein, sich auch frühzeitig um Zweit- oder Drittvarianten Gedanken zu machen. Dann hat der Coach flexible Möglichkeiten, zu wechseln ohne unter Druck zu kommen. Es könnte sein, dass der Coaching-Kunde die Methode nicht kennt, sie ablehnt, Schwierigkeiten hat, sie umzusetzen….
[1] kognitive Dissonanztheorie Leo Festingers besagt, das Handeln erst dann erfolgt, wenn sich zum Wissen die emotionale Übereinstimmung hinzugesellt. Diese braucht einige Tage bis Wochen!
[2] am besten durch drei verschiedene Beispiele: praktisch ist eine „Stunde“ nur 30-40 Minuten wert.